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Hospiz - Die Brücke Bergisch Gladbach, Ambulantes Hospiz im Diakonischen Werk e.V., stationäres Hospiz im EVK
Erfahrungsberichte - Die Brücke e.V. - Vereinsorgane und Koordinatorinnen-Team
Hospiz - Bie Brücke in Bergisch Gladbach: Wie eine Brücke verbindet, möchten wir Beziehungen bauen.

Erfahrungsberichte

Es ist ein forderndes Ehrenamt, Sterbenden und deren Angehörigen auf ihrem letzten Lebensweg zur Seite zu stehen. Für unsere ehrenamtlichen Hospizhelferinnen und Hospizhelfer ist diese Aufgabe eine Herzenssache.

Unsere Haltung und unsere Werte werden widergespiegelt in den Berichten unserer Hospizhelferinnen und -helfer. Auf dieser Seite teilen einige von ihnen ihre Erfahrungen.

Lisa Thimme
Lisa Thimme

Getröstet

Nach meiner Ausbildung zur Hospizhelferin konnte ich es kaum erwarten, das Gelernte anzuwenden. Aber dann kam ein schlimmes Jahr, innerhalb dessen ich meine Schwiegermutter mit 91 Jahren, meinen Vater mit 86 Jahren und meine geliebte Schwester mit 46 Jahren verlor (ihr blieb nur ein halbes Jahr von der Diagnose bis zum Tod). Ich fühlte mich im Team sehr unterstützt, konnte mich mit meinem Schmerz an die Koordinatoren und Kollegen wenden. Die Teamabende, Supervisionen und Trauergespräche waren ein Segen für mich. Nach längerer Pause übernahm ich die Begleitung von Annette. Sie war etwas älter als ich und lebte im Wohnheim für Menschen mit Behinderung. Annette machte es mir leicht.

Sie hörte gerne Märchen-CDs und konnte fast alle auswendig mitsprechen. Ich besuchte sie wöchentlich und brachte ihr jedes Mal ein neues Märchen zum Vorlesen und passende Lieder mit. Wir unterhielten uns über die Gemeinsamkeit, dass mein Vater und ihre Mutter im Himmel seien und auf uns aufpassen. Zur Begrüßung hatten wir ein gesprochenes Ritual und zum Abschied sangen wir immer dieselben Lieder. Dann starben zwei Menschen aus meinem engsten Bekanntenkreis. Ich war wie blockiert und konnte in dieser Woche Annette nicht besuchen. In der nächsten Woche habe ich ihr erzählt, warum ich traurig bin. Sie sprach vom Himmel und Aufpassen auf uns und streichelte ganz vorsichtig meinen Arm. Sie tröstete mich, die ich doch für sie da sein sollte. Ich fuhr sehr dankbar und gestärkt nach Hause."

Karin Fedder
Karin Fedder

Warum arbeitest du für ein Hospiz?

Hospiz, muss doch traurig sein?" höre ich manchmal als Reaktion auf mein Engagement als Hospizhelferin. Ich möchte aber dieses Ehrenamt nicht missen: Koordiniert von Profi´s wartet ganz aus der aktuellen Situation heraus ein vielfältiges Spektrum an Möglichkeiten: Einfach Dasein, zusammen innehalten, zuhören, aktuelle oder erinnernde Gespräche, Kontakt mit Angehörigen. Manchmal auch die Gelegenheit, noch ein kleines Anliegen zu erfüllen - und vieles mehr. Ich schätze das mir entgegengebrachte Vertrauen hoch, auch Schweres darf erleichternd ausgesprochen sein. Ich blicke zurück auf intensive Momente, Begegnung mit vielfältigen Menschen, die alle mein persönliches Leben ein Stückchen bereichern und dankbar in Erinnerung bleiben. Ich hoffe, noch lange dabei sein zu können."

Ursula Nantke
Ursula Nantke

Seine Stunde

Nie werde ich eine Begleitung im Altenheim vergessen, obwohl sie schon einige Zeit zurückliegt. Wir wurden zu einem älteren Herrn gerufen, dessen Frau und die Tochter gestorben waren. Er selber bekam eine schlimme Krankheit, die ihn immer mehr einschränkte, so dass er nur noch im Bett liegen konnte. Er war sehr verzweifelt und wollte nicht mehr leben. Das waren meine Informationen, als ich an seine Tür klopfte.

Er lehnte meinen Besuch nicht ab und ich setzte mich an sein Bett. Auf mein „ist schwer“ brach alle seine Traurigkeit und Verzweiflung aus ihm heraus. Ich hörte ihm achtsam zu. Am Ende sagte er, ich dürfe wiederkommen. Bei weiteren Besuchen hörte ich still seinen Klagen zu. Klagen zu dürfen ist eine wertvolle Hilfe, die löst und innerlich ordnet. Nach weiteren Treffen sah ich in seinem Schrank Fotoalben stehen. Ja, ich solle sie rausholen. Bei den folgenden Besuchen sahen wir uns seine alten Fotos an. Er erzählte gerne von Urlauben, seiner Hochzeit, der Geburt der Tochter, deren Hochzeit usw.! Während des Erzählens wurde er immer lebhafter. Beim Angucken der vielen Abschnitte des Lebens mit seiner Familie empfand er große Freude, hatte wohltuende Gefühle und Erinnerungen. Bei einer Verabschiedung sagte er: „Kommen Sie bald wieder, das letzte Fotoalbum wartet auf uns.“ Beim nächsten Treffen empfing er mich mit dem beeindruckenden Satz: „Einer weiß die Stunde und den Tag.“ Nun konnte dieser Mann, der vor Monaten sofort aus dem Leben scheiden wollte, geduldig warten auf „seine“ Stunde. Lange brauchte er nicht zu warten."

Silvia Schmidt
Silvia Schmidt

Die Uniform

Ich begleite seit 2001 Menschen mit lebensverkürzender Diagnose. Gerne erinnere ich mich an eine meiner ersten Begleitungen. Hr. W. war 72 Jahre alt und an Bronchial Ca. erkrankt. Er lebte seit ein paar Jahren in einem Altenheim. Hier hatte er noch einmal seine große Liebe kennen gelernt. Mit seinem Sohn hatte er keinen guten Kontakt. Hr. W. war ein leidenschaftlicher Raucher und Fanfarenspieler. Viele Feste untermalte Hr. W. mit seiner musikalischen Art. Nach dem Tod seiner Freundin zog sich Hr. W. immer mehr zurück. Er wurde mir als mürrischer, alter Mann übergeben. Als ich das erste Mal Hr. W. besuchte, war gerade der Notarzt bei ihm, weil er eine Panikattacke wegen Luftnot hatte. Die Pflegerin empfing mich und stellte mich dem Notarzt als Hospizhelferin vor. Sofort fragte er mich, ob noch eine invasive Behandlung infrage käme. Ich merkte, dass die Pflegerin froh war, dass ihr die Verantwortung nun abgenommen wurde. Ich schaute zu Hr. W. und sah ihn fragend an. Mit seinem Blick gab er mir zu verstehen, dass er keinen weiteren Krankenhausaufenthalt wollte.

„Das haben wir dann wohl zu akzeptieren“ meinte der Notarzt und verschwand. Die Pflegerin verließ kopfschüttelnd den Raum, er sei es ja auch selber Schuld bei seiner Qualmerei. Bei den nächsten Besuchen redeten wir immer wieder von Hr. W. Fanfarenverein. Wie schön die Zeit gewesen war und dabei stellte sich heraus, dass Hr. W. die Uniform und die Fanfare in seinem Zimmer aufbewahrte. Bei einem Besuch spielte mir Hr. W. auf seiner Fanfare trotz seiner Luftnot ein Lied vor. Der mürrische, alte Mann blühte nochmal auf. Sein größter Wunsch war, dass er in seiner Uniform beerdigt wurde. Ich versprach, dass ich das an seinen Sohn weiter geben würde. Die Zeit verging und schnell begann die Weihnachtszeit. Am Hl. Abend wurde ich vom Heim angerufen. Hr. W. ging es zunehmend schlechter. Als ich ihn besuchen ging, durfte ich seinen Sohn kennen lernen. Im Gespräch mit dem Sohn erwähnte ich den Wunsch des Vaters. Dieser war völlig überrascht von der Idee, versprach aber dem Vater, dass er dafür Sorge tragen würde. Hr. W. lächelte. Am 2. Weihnachtstag verstarb Hr. W. mit der Gewissheit, dass er die Uniform tragen würde. Schön, dass sich Vater und Sohn auf diese Weise noch am Sterbebett versöhnen konnten."

Hubert Forré
Hubert Forré

Eine Hand halten

Ich wurde vom Heim angerufen und gebeten, eine Bewohnerin zu begleiten, die im Sterben lag und sehr unruhig war. Die Pflegekraft sagte mir: Ihr Sohn ist im Urlaub und kann nicht kommen. Deshalb wäre sie wohl so unruhig und könnte nicht loslassen. Ich habe mich an ihr Bett gesetzt. Als sie leise „Günther“ sagte, habe ich ihre Hand gehalten und gesagt: Ich bin da! Über die Stunden wurde sie ruhiger und ist am nächsten Tag gestorben."

Giesela Kopsch
Giesela Kopsch

Die Einladung zu einem Kaffee

Herr Z. war ein sehr selbstbewusster und aktiver Mann. Aufgrund einer fortschreitenden Demenz kam er ins Pflegeheim. Ein Telefon konnte man ihm nicht mehr in die Hand geben, er wählte falsche Nummern. Geld und Ausweispapiere ebenfalls nicht, er würde sie verbummeln. Bei meinem Besuch beklagt er sich bitter, kein Geld in der Tasche zu haben. Dadurch fühlt er sich wertlos. Er hatte immer großzügig und gerne vor allem die Damen zum Kaffee eingeladen. So viel er aber in seinen Taschen sucht, es ist kein Geld da. Zu Hause habe ich eine Geldbörse meines verstorbenen Vaters herausgesucht und mit fünf Euro in Kleingeld gefüllt.

Bei meinem nächsten Besuch überreiche ich Herrn Z. die Geldbörse. Er steckt sie hocherfreut ein. Kaum war die Geldbörse in seiner Jackentasche, teilt er mir mit, dass er mich zurzeit nicht brauche. Er habe noch Wichtiges zu tun. Im ersten Moment war ich wie vor den Kopf gestoßen. Aber dann kam mir die Erkenntnis: Ich hatte mein Ziel erreicht. Herr Z. war wieder der Mann von Welt mit Geld in der Tasche. Er hatte seine Würde wiedergefunden. Bei meinem nächsten Besuch kam auch ich in den Genuss einer Einladung zum Kaffee."

Dr. Rainer Fischer
Dr. Rainer Fischer

Der Teller

Ich besuchte einen älteren Herrn, der Krebs im Endstadium hatte. Traurig, mürrisch und kraftlos lag er im Krankenhausbett und beklagte sich: „Früher war ich Abteilungsleiter und 20 Leute machten, was ich sagte. Jetzt muss ich dankbar sein, wenn mich jede Stunde jemand von rechts nach links dreht.“

Ich fragte ihn, ob er in seinem Leben schon jemals eine solche Hilflosigkeit durchgemacht hätte. Da erzählte er, wie er als Kind monatelang wegen Tuberkulose im Bett gelegen hatte. Das Krankenhaus wurde von Nonnen betrieben. Jeden Mittag brachte ihm eine Nonne einen Teller mit Tomatensuppe.

Eines Tages brach die ganze Wut über seine Situation aus ihm heraus und er warf den Suppenteller an die Wand. Sofort wurde die Schwester Oberin geholt. Er rechnete mit einer Standpauke, aber die Oberin kam herein, lächelte und sagte: „Das wurde aber auch mal Zeit!“ Ich kam auf die Idee, ihm einen solchen alten Suppenteller mit Goldrand zu besorgen. Den drückte ich ihm in die Hand und sagte: „Wenn Sie Ihrem Ärger Luft machen wollen, werfen Sie einfach mal wieder einen Teller an die Wand!“ Ab da verbesserte sich seine Stimmung: Er hatte das Gefühl, nicht mehr vollständig allem ausgeliefert zu sein. Der Teller war ein Stück Selbstbestimmung, die er wiedergewonnen hatte. Er stand ständig griffbereit. Geworfen hat er ihn aber nie. Als er wenige Tage später starb, bestanden seine Kinder darauf, dass er mit dem Teller in der Hand begraben wurde."

Michael Roth
Michael Roth

Der letzte Wunsch

Ein Heimbewohner äußerte mir gegenüber den Wunsch, nach seinem Tod in einem Sarg bestattet und nicht verbrannt zu werden. Er verfasste mit meiner Hilfe eine entsprechende Willenserklärung. Sein Betreuer hielt diesen Wunsch für nicht durchführbar, weil das Sozialamt die Kosten übernehmen müsste und daher nur eine Einäscherung mit anonymer Beisetzung in Frage käme. Als der Bewohner starb, legte ich dem Verstorbenen eine Kopie seiner Willenserklärung aufs Bett und wandte mich an das Ordnungsamt. Dem Amt und dem gewissenhaften Bestatter, der die Kopie zur Kenntnis nahm, sei Dank, dass am Ende doch eine Sargbestattung mit einer Trauerfeier im kleinen Kreis stattfinden konnte. Pastor Dr. Fischer, Vorsitzender und Seelsorger unseres Hospizvereins, übernahm die Gestaltung der sehr würdigen Feier. Vor einiger Zeit besuchte ich die Grabfläche, die mittlerweile mit Rasen bedeckt ist. Ein schlichtes Holzkreuz erinnert mit Namen und Lebensdaten an den Verstorbenen. Ich war froh, dass ich dazu beitragen konnte, seinen letzten Wunsch zu erfüllen."